Von Höhlen und Fledermäusen – eine Reise in die Dunkelheit

Was macht die Schwäbische Alb im Vergleich zu anderen Naturräumen in Deutschland aus? Welche Landschaften, Tiere und Pflanzen sind charakteristisch für die Alb? Mit diesen Fragen haben wir uns intensiv zu Beginn unseres Fotoprojektes beschäftigt, um eine Art „Motiv-Leitfaden“ zu entwickeln. Einige der repräsentativsten Naturbesonderheiten der Schwäbischen Alb haben wir auch in unser Logo einfließen lassen.

Viele unserer Motive haben ihren Ursprung in der Entstehungsgeschichte der Alb, weshalb es sich lohnt einen kurzen Blick auf die Geologie und die heutige Landschaftsform zu werfen – denn mit diesen Themen hängt unsere eigentliche Mission, die in diesem Blogbeitrag vorgestellt werden soll, zusammen.

Die Schwäbische Alb ist Teil der süddeutschen Schichtstufenlandschaft. Den, wenn man so will „Grundstein der Schwäbischen Alb“, hat ein Meer zur Jurazeit vor rund 200 Millionen Jahren gelegt. Am Grund dieses Meeres lagerten sich Tone, Kalke und Mergel ab, deren Schichten durch Druck über sehr lange Zeiträume zu den bekannten Kalksteinen des Schwarzen, Braunen und Weißen Juras wurden. Durch die nach der Jurazeit folgenden Senkungs- und Hebungsprozesse formte sich die typische und so landschaftlich abwechslungsreiche süddeutsche Schichtstufenlandschaft. Dabei wurden die Jurakalke wie eine riesige Scholle gen Süden gekippt und es entstand die Grundform der Schwäbischen Alb, die sich heute wie ein breites Band vom Südwesten Baden-Württembergs in den Nordosten Richtung Bayern zieht. Durch die dann einsetzenden Erosionsprozesse entstand an der „gekippten Scholle“ die heute so charakteristische Landschaftsform: Am Nordrand die steile Stufe ins Albvorland mit ihren tiefen Taleinschnitten, im Süden die eher flachen Ausläufer ins oberschwäbische Molassebecken.

Doch nicht nur an der Oberfläche gab es Veränderungen. Das landschaftsformende Wasser drang in den porösen Kalkstein ein und löste über Jahrmillionen ein gigantisches Höhlensystem, eines der größten in der Bundesrepublik, aus der Albscholle. Natürlich wurde dieser neue Lebensraum „Höhle“ rasch von Tieren besiedelt und auch die ersten Menschen in Süddeutschland suchten darin Schutz. Die Alb mit ihren Höhlen diente dem schwäbischen Jugendroman-Klassiker „Rulaman“ von David Friedrich Weinland aus dem Jahre 1878 zur Kulisse – so oder so ähnlich wie von Weinland beschrieben, könnte damals in der Steinzeit das Zusammenleben zwischen Mensch und Natur in und um die Höhlen der Alb gewesen sein.

Doch zurück zu unserem Fotoprojekt und dieser speziellen Mission. Eine ganz besondere Säugetiergruppe hat den Lebensraum „Höhle“, ebenso wie der Mensch in der Steinzeit, für sich entdeckt: Unsere heimischen Fledermäuse! Diese haben eine ganz besondere Strategie entwickelt, um die nahrungsarme Winterzeit (unsere heimischen Arten ernähren sich quasi ausschließlich von Insekten und Spinnentieren) zu überstehen: Den Winterschlaf. Und um diesen unbeschadet zu überdauern braucht es vor allem eines: Ein Quartier in dem sie vor Fressfeinden sicher sind und in dem niedere, aber dennoch möglichst frostfreie Temperaturen herrschen. Genau solche Bedingungen bieten eine Vielzahl der Höhlen der Schwäbischen Alb.

Höhlen und Fledermäuse stehen somit ganz besonders symbolisch für die Schwäbische Alb und uns war klar, das wir dies auch in Bildern fürs Projekt darstellen wollten. Schnell begann bei uns das Kopfkino von frei an den Decken hängenden Fledermäusen und wunderschönen Höhlenformationen im Hintergrund…

Ein Cluster von Großen Mausohren (Myotis myotis) hängt an der Höhlendecke. Foto: Bernd Nill

Doch gang so einfach sollte es nicht werden. Man spaziert nicht einfach so in den Wintermonaten in eine Höhle der Schwäbischen Alb und fotografiert Fledermäuse im Winterschlaf. Aus Artenschutzgründen sind die meisten guten Winterquartiere in der kalten Jahreszeit zurecht verschlossen, um Störungen der Tiere zu vermeiden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Verhalten der Tiere in den Winterquartieren: Viele unserer heimischen Fledermausarten verkriechen sich in Spalten in den Höhlen und sind somit nicht oder nur schwer zu entdecken, geschweige denn zu fotografieren.

Beides konnten wir in der Höhle finden, einzeln hängende Große Mausohren oder so genannte Cluster aus mehreren Tieren. Foto: Bernd Nill

Schnell war klar, solche Motive lassen sich nur mit Hilfe von Fledermausschützern und Fledermausexperten umsetzen. So nahmen wir Kontakt auf und konnten Dank großzügiger Unterstützung über Monate einen Plan entwickeln, wie wir doch zu einer Fotomöglichkeit kommen sollten. Es kam der entscheidende Hinweis: Das Große Mausohr (Myotis myotis), eine unserer größten heimischen Fledermausarten, welche ihre Wochenstuben gerne in Gebäude und somit nah am Menschen bildet, hängt in wenigen Winterquartieren auf der Schwäbischen Alb teilweise frei an der Höhlendecke. Genau von solch einer Möglichkeit haben wir geträumt!

Fledermaussuchbild. Erst das Tier lässt die eigentlichen Dimensionen, welcher der Bildausschnitt zeigt, klar werden. Foto: Benjamin Waldmann

Eine etwas andere Perspektive zeigt das gleiche Tier in seiner „Höhlenlandschaft“. Foto: Bernd Nill

Mitte Februar war es dann soweit: Mit Helm, Stirnlampe, Schlaz (Anzug für Höhlenforscher) und Gummistiefelen stapften wir zusammen mit dem Quartierbetreuer durch den Schnee gen Höhleneingang. Das schwere Gittertor öffnete sich und Dunkelheit empfing uns. Wir knipsten die Stirnlampen an und blickten auf ein überraschend geräumiges Höhlenportal. Langsam und leise tasteten wir uns vor, mit den Lampen die Decken und Wände nach Fledermäusen absuchend. Schon nach wenigen Metern war es soweit: Das erste Große Mausohr hing vor uns – ein grandioser Anblick. Wir wollten uns zunächst einen Überblick verschaffen und gingen vorsichtig weiter. Zwei Engstellen galt es mit Fotorucksack und Stativ zu überwinden, insgesamt hatten wir uns das Vorwärtskommen schwieriger vorgestellt. Ddie Verhältnisse waren erstaunlicherweise ausgesprochen trocken, was das Fotografieren und das Ablegen der Ausrüstung erheblich erleichterte. Und wir kamen voll auf unsere Kosten. Alle paar Meter ein Großes Mausohr – dann sogar ein Cluster mit mehreren Tieren. Einige Meter weiter mehrere Tiere in einer Aussparung an der Höhlenwand – kurzum es war fantastisch.

Einzelne frei hängende Große Mausohren konnten wir genauso finden wie… Foto: Benjamin Waldmann

…dicht zusammengedrängte Tiere in einer Vertiefung an der Höhlenwand. Foto: Bernd Nill

Dann begann die eigentliche Arbeit: Ausdrucksstarke Bilder in völliger Dunkelheit zu machen ohne die Tiere längere Zeit anzuleuchten, sprich zu stören. Nach einigen Bildern dann ein paar Meter weiter zum nächsten Tier, um die Störung für das einzelne Individiuum so gering wie möglich zu halten. Eine Ausleuchtung mit reinem Kunstlicht war für uns beide die große Herausforderung, da wir Kunstlicht nur sehr selten in der Naturfotografie einsetzen. Eine lichtstarke, eng zu fokussierende Taschenlampe hatte sich als bestes Hilfsmittel herausgestellt. Damit konnte gezieltes Streiflicht oder ein Spot gesetzt werden. Der Einsatz von Blitzlicht brachte in der Regel zu flache, homogen ausgeleuchtete Bilder. Und so sah die Prozedur immer gleich aus: Optimalen Standpunkt und beste Perspektive mit passendem Bildwinkel, sprich Objektiv, zu finden. Kurzes Anleuchten der Szene um zu fokussieren. Dann rasch den passenden Winkel für das Hauptlicht finden – klick – fertig.

Beeindruckende Höhlenkulisse mit Großem Mausohr. Foto: Benjamin Waldmann

Die Zeit verging wie im Fluge und wir blinzelten heftig, als wir aus der Dunkelheit zurück in die weiße Winterlandschaft hinaustraten. Was für ein Erlebnis auf der „Wilden Alb“!

Ein einzelnes Tier einer weiteren Fledermausart konnten wir entdecken: Wasserfledermaus (Myotis daubentonii). Foto: Bernd Nill

Alle anderen Tiere waren Große Mausohren. Foto: Benjamin Waldmann

 

Foto: Bernd Nill

 

Großes Mausohr an der Höhlendeck. Foto: Benjamin Waldmann

Text: Benjamin Waldmann
Bilder: Bernd Nill und Benjamin Waldmann

Veröffentlicht in Blog